Toulon, die Hauptstadt des Verwaltungsdepartements Toulon, wurde nach dem elenden Niedergang im 2. Weltkrieg wieder revitalisiert und der Bau- und Renovierungsboom hält an. Nachdem die Deutschen die Altstadt am Hafen dem Erdboden gleichgemacht hatten, entstanden diese typisch kastenförmigen Nachkriegsbauten, die das heutige, zugegebenermassen wenig romantische, Hafenbild von Toulon prägen.

Aber nein, das wars noch nicht, das andere Toulon versteckt sich einige Schritte weiter, da eröffnet sich eine von Leben durchtränkte Altstadt mit pittoresken Gässchen und dem grössten provencalischen Markt der Region. Der schlechte Ruf der Stadt hat sich schon längst revidiert und auch die früher zwielichten Viertel von Toulon sind mittlerweile genauso sicher wie die jeder anderen französischen Stadt.

Die Zeiten des Verfalls sind vorbei, die Plätze erstrahlen wieder im neuen Glanz, und auf der herausgeputzten Place Puget trifft man sich um gemütlich ein Schwätchen zu halten oder seine Mittagspause zu geniessen. Designerläden durchspickt von Ramschläden und Kaufhausketten reihen sich in den engen Gassen aneinander, was zur Folge hat dass die Mietpreise steigen und steigen.


Die Marine, auch heute noch größter Arbeitgeber der Region, hatte schon zu Zeiten Napoleons in Toulon einen zentralen Standpunkt. Die Rade von Toulon, umschlossen von der Halbinsel Saint Mandrier, und im Hintergrund von der Gros Cerveau Kette geschützt, wurde schon von Ludwig XII als strategisch äußerst wichtiger Hafen entdeckt, er ließ hier die ersten Bauten für einen Kriegshafen vornehmen und Richelieu gründete daraufhin hier der Sitz Kriegsmarine. 1942 versenkte die Marine ihre eigene Kriegsflotte im Hafen von Toulon, um nicht den einmarschierenden Deutschen in die Hände zu fallen. Wo im angrenzenden Werften La Seynes die Produktion von Kriegsschiffen auf Hochtouren lief , werden heute Luxushotels und Freizeitparks herausgestampft.


Sehenswert ist das Musée de Beaux-Arts nicht nur wegen seiner Sammlung zeitgenössischer Kunst, sondern auch um die einzigartige ‚Hardware‘ von Außen zu besichtigen, die am Boulevard de Strasbourg protzt. Leider wird in Ermangelung einer Umfahrungsautobahn der Durchzugsverkehr durch den Prachtboulevard Toulons geschleust und hinterlässt unschöne Abgasnarben an den neoklassizistischen Fassaden. Schöne Strände gibt's hingegen im Stadtteil Mourillon, und so manch gruselige Geschichte erinnert noch an das seinerzeit gefürchtete Gefangenenlager von Toulon. Victor Hugo verarbeitete die Eindrücke in seinem Roman ‚Les Miserables‘ wo Jean Valjean im ‚Bagne‘ von Toulon eingekerkert wurde nachdem er einen Laib Brot gestohlen hatte.


Den Hausberg Toulons, der Mont Faron, geht mühelos mit Auto oder Seilbahn zu erkunden. Von hier aus gibt's einen absolut gigantischen Ausblick über die Rade bis zum Cap Sicié, die Inseln Porquerolles, die Halbinsel Giens vor Hyeres, und der Halbinsel Saint Mandrier die übrigens erst im vorigen Jahrhundert versandet ist und ans Festland andockte.


Ich beschliesse am nächsten Morgen eine Tour rund um das Gros CerveauGebiet zu machen. Dieser berühmte Bergrücken der die Festlandwinde von der Küste abhält und deshalb den Gedeih der Weinreben des AOC Bandol begünstigt. Meine erste Station ist das niedliche Dörfchen Ollioules, dessen Name auf den Olivenanbau zurückzuführen ist. Heute lebt man nicht mehr von der Olive sondern von der Blume. Von hier aus werden täglich die Großmärkte mit Schnittblumen versorgt. Die eingekesselte, windgeschütze Lage machts, die den Gedeih von Pflanzen begünstigt. Am Flüsschen Repp entlang gelangt man zu den legendären Schluchten den „Gorges d'Ollioules" die sich vor Jahrtausenden in den Fels gefressen, und bizzarre Felsformationen hinterlassen haben. Im Mesozoikum entstanden diese natürliche Höhlen in denen sich prähistorische Menschen ansiedelten. Die Aushöhlungen im Charkakter herausgehämmerter Schlaghöhlen beherbergten zu Zeiten des ‚Grand Chemins‘, als durch Ollioules die Handelsstrasse führte, die gefürchteten Banditen die aus ihren Verstecken Reisende sowie Kaufleute überfielen, wie der zu Berühmtheit gelangte Gaspard de Besse.
Hoch über dem Altstädtchen wacht die Ruine des Feudalherrenschlosses Ollioules, da nach einer kurzen, steilen Schnauftour durch die engen mit schmucken Kunsthandwerkläden beladenen Gässchen, zu bestaunen ist. Wanderwütige können ihre Tour übers Gros Cerveau, bis zum Pointe Cerveau fortsetzten um schließlich beim Jardin Exotique in Sanary zu landen.

 Auf den terrassenförmig angelegten Grundstücken fallen Überreste vergangener Tage ins Auge, allerdings beinahe ausnahmslos auf Privatgrundstücken und nicht zugänglich. Zwei ausgeschilderte Wanderwege führen am Repp entlang - einer Richtung Meer, einer Richtung Schlucht. Im Office de Tourisme ist eine Skizze mit den Sehenswürdigkeiten erhältlich.
Nachdem wir die Gorges von Ollioules passiert haben, biegen wir rechts Richtung Evenos ab, hier schraubt sich die Strasse in engen Kurven durch Fels und Wald hoch und mit überwältigenden Einblicken in die Schluchten.

 

Hoch oben angelangt im mittelalterlichen Dörfchen Evenos lässt sich die Ruine am Wanderweg in kurzer Zeit umrunden. Auch hier gibt's einen genialen Ausblick - aber Achtung, die Abhänge sind nicht gesichert und es geht sehr steil bergab. Am Parkplatz warnt ein Schild in sämtlichen Touristenidiomen ja nichts im Auto zu lassen, Langfinger sind überall.

Ein typisch provencalisches Mas mit schattenspendenden Bäumen und im Wind baumelnden quietschenden leicht angerosteter Blechtafel, die es als einzige Gaststätte im Ort identifizert, macht Lust auf eine Pause und einen Kaffee. Als einziger Gast muss ich mich erst mal mit Glockengebimmel bemerkbar machen, und mir einen Weg durch den noch im winterschlaf befindenden Gastgarten durch schnatternde Gänse zu bahnen, die in ihrem Geschnatter durch nichts zu stören sind, bevor der gemütliche Patron in seinen Birkenstocks herausschlapft und meinem Wunsch nach Trinkbarem nachkommt.